Keltische Siedlungsspuren am Heidenhäuschen

Neue Forschungsergebnisse sind Chance für die Region

verfasst von: Alfred Sehr

 

Hadamar/Elbtal/Waldbrunn
Kelten am Heidenhäuschen?? Im Geschichtsunterricht an den Schulen tauchen die Kelten als Thema leider nicht mehr auf. Doch inzwischen wissen wir, dass sie am 398 Meter hohen Basaltmassiv zwischen Hadamar, Elbtal  und Waldbrunn zahlreich gesiedelt haben.  Kein Wunder, denn auch noch heute ziehen diese die gewaltigen, aus dem Bergkamm herausquellenden Steinblöcke noch unzählige Wanderer von nah und fern an.
Doch, wer waren diese Kelten eigentlich? Was wissen wir von ihrer Kultur aus der letzten Periode der europäischen Vorgeschichte?
In diesem Rahmen müssen freilich einige zusammenfassende Hinweise genügen. Die Kelten werden als das erste Volk angesehen, das relativ deutlich und mit einem Namen versehen aus dem Dunkel der mitteleuropäischen Geschichte heraustrat. Ihre Benennung erhielten sie freilich von anderen Kulturen: Die Griechen nannten sie keltoi, die Kühnen, oder Galatai, die Römer Celtici  oder Galli. 

Ihre ‚Vorfahren‘  hatten bereits die Steinzeit verlassen  und sind als die sogenannten Urnenfelderleute der mittleren Bronzezeit ab ca.1300 v. Chr. in die Geschichte eingegangen. Nichts entsteht ganz neu. Und so schufen keltische Stämme durch Verschmelzung bronzezeitlicher, etruskischer und skythischer Einflüsse  in der älteren Eisenzeit, der sogenannten Hallstatt-Zeit (ca. 750 – 450 v. Chr.), ein eigenes Kulturmuster und verbreiteten es vom Donauraum über weite Teile West- und Mitteleuropas bis ins heutige Portugal und zu den Britischen Inseln. Der westliche Hallstattkreis war der erste Höhepunkt der vorgeschichtlichen Kultur Mitteleuropas.
Allerdings waren die Kelten nie ein einheitliches Volk mit einer gemeinsamen Staatsordnung, sondern teilten sich in viele Stämme auf, die unter Führung einer kriegerischen Aristokratie standen.
 

Keltischer Zivilisationsschub

Ihre militärische Vormachtstellung sicherten sie sich durch den Besitz eiserner Waffen, die sie durch ihr technisches Wissen über die Gewinnung, Verhüttung und Verarbeitung von Eisenerzen selbst anfertigen konnten. Damit gaben sie dem vorgeschichtlichen  europäischen Kulturraum einen bedeutenden Zivilisationsschub und prägten ihn gerade in der jüngeren Eisenzeit, besser bekannt als ‚Latène-Zeit (ca. 475 – um Chr. Geburt) nachhaltig mit ihren schöpferischen Leistungen, sowohl in der Metall- und Glasverarbeitung als auch in der Textil- und Keramikherstellung. Keltische Kunsthandwerker entwickelten auch ein eigene  Ornamentik mit einem Hang zum phantastisch Verschnörkelten und zu markanter Ausdruckskraft, während eine Schriftkultur nicht entstand.
So konnten die Druiden als Priester, Lehrer und Richter ihr Wissen nur mündlich weitergeben, zweifelsohne ein bedeutender Nachteil im Vergleich zu den sich weiterentwickelnden Kulturkreisen des Mittelmeeres, zu denen man  vielfältig inspirierende Handelsbeziehungen unterhielt. So haben sie aus Griechenland die Münzprägung übernommen. Es kann vermutet werden, dass die Kelten durch das Fehlen einer Schriftkultur und durch die  Monopolisierung des mündlichen Wissenstransfers seitens der Druiden den Sprung zur Hochkultur nicht geschafft haben, ob wohl sie ganz dicht an dieser Stufe angelangt waren.

Aus heimischer Sicht am  frühesten  begegnen wir den Kelten im Siegerland, wo sie seit 700 v. Chr. die manganreichen Eisenerzstätten ausbeuteten. In dieser Zeit hat sich das keltische Siedlungsgebiet in das waldreiche Vorland des Westerwaldes ausgedehnt, wo vermutlich zur Sicherung der Eisenerzverarbeitung und des Handels befestigte Höhensiedlungen angelegt wurden. Zu Anlagen dieser Art  der Hallstatt- und Latènezeit in unserem Heimatgebiet zählen die Dornburg, ferner als kleinere Wallanlagen der Almerskopf bei Barig-Selbenhausen, die Höhburg bei Merenberg und das Heidenhäuschen bei Oberzeuzheim. 
Man kann annehmen, dass diese Wallanlagen für die ansässige Bevölkerung auch eine wichtige militärische Sicherungsfunktion hatten – besonders in den unruhigen Zeiten der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, in denen z.B. die Kelten von den Chatten aus dem Siegerland vertrieben wurden.

 

1 Hermann-Josef Bausch, Oberzeuzheim im Spiegel der Geschichte. Ein Beitrag zur Orts- und Heimatgeschichte. Hadamar 1987 S. 35

 

Alte Befunde

Wie stellte sich nun die archäologische Fundsituation für den engeren  Bereich des Heidenhäuschens dar?
Unter den Erdhügeln auf dem südwestlichen Fuß des Heidenhäuschens in der Gemarkung Hangenmeilingen, Flur Frauenberg, vermutet Hermann Josef Bausch ein keltisches Hügelgrab, Walter Rudersdorf deren drei mit Ganzkörperbestattung. Belastbare Nachweise z.B. in Form von Keramikfunden fehlen allerdings bislang.2
Keltische Wohnsiedlungen sind meist nur durch Lesescherben oder Abfall- bzw. Vorratsgruben bekannt. Eine solche Trichtergrube mit spätlatènezeitlichen Keramikscherben wurde 1986 in Oberzeuzheim bei der Ausgrabung des Steinkistengrabes „Beim Grauen Stein“ entdeckt. Hier haben wir deutliche keltische Befunde in Form von Keramikscherben als „Zeitmesser“  überzeugend belegt.
Nicht ganz so eindeutig ist die Aussagekraft zweier  gleicher Goldmünzen der  keltischen Treverer im Trierer Raum aus dem 1. Jahrhundert vor Chr., die an nicht genau rekonstruierbarer  Stelle in Oberzeuzheim 1902 gefunden wurden. Sie zeigen ein Pferd, verschiedene Ornamente sowie die Aufschrift  ‚Ottina‘, gemeint ist vermutlich ein gallischer Heerführer namens ‚Pottina‘. Bernhard Pinsker stellt mit Blick auf die drei im Oppidum Dornburg gefundenen sogen. „Regenbogenschüsselchen“ fest: „Die beiden Münzen von Hadamar-Oberzeuzheim, Kr. Limburg-Weilburg – zwei Statere aus Elektron – können ebenfalls als Prägungen der Treverer angesprochen werden.“
Der Fund deutet ferner auf Kontakte zwischen keltischen und keltisch-germanischen Stämmen hin.

Als weitere Spur keltischer Kultur möchte ich das Flurgebiet „Frauenberg“ ansprechen, ein flacher Bergsattel direkt am Fuße des Heidenhäuschens, oberhalb des Hangenmeilinger Wochendgebietes. Hier befand sich eine mittelalterliche Wallfahrts-Kapelle mit dem Namen „Zu unserer Lieben Frau“, zu der noch bis nach der Reformationszeit „gewallfahret wurde“, wie der Historiker Jakob Wagner 1863 schrieb.
Was hat das aber mit den Kelten zu tun? 
Jetzt kommt die Heimat- und Sprachforschung ins Spiel. 
Das keltisch-germanische Mischvolk der Ubier, verehrte nachweislich weibliche Göttinnen, sog. Matronen, allesamt gütige und wohltätige Frauen. Sie werden immer zu dritt dargestellt mit Blumen und Obstschalen.
Aus der Tatsache, dass auf dem Frauenberg eine christliche Marienkapelle stand, schließt man darauf, dass diese einen vorgeschichtlichen sakralen Vorläufer gehabt habe, und es sich also um die Übergründung eines alten heidnischen Heiligtums durch christliche Missionare handelte. 
Dieses Phänomen lässt sich häufig in der kulturellen Tradition und Kontinuitätsforschung finden und wird Substitution genannt.
Zur Stützung dieser These darf ich noch auf zwei  wichtige Ortsbezeichnungen verweisen:
Es wurden von den Ubiern die 3 Matronen Mahalinaehae  verehrt. Walter Rudersdorf und andere sehen in den Dörfern Hangenmeilingen und Hintermeilingen einen Hinweis auf diese Gottheiten. Also einmal im Dialekt „Hange-mahlinge“ , am Hang der Mahalninaehae, und dann „Henner-mahlinge“, also der Ort hinter dem Heiligtum der Mahalinaehae.

Das Gebiet weist jedoch auch eine weitere sakrale Stätte auf, die nämlich unmittelbar unter dem „Frauenberg“ befindliche Wallfahrtsstätte „Siebenschmerzen“. Der Historiker Cohausen berichtet 1879 von einer Quelle und einem „Heiligenhäuschen“. Dieses muss bereits abgerissen worden sein, als 1885 im Zusammenhang mit dem frühen Tod des Oberzeuzheimer Jesuitenpaters Ferdinand Heep die sieben Bildstöcke der Sieben Schmerzen Mariens erbaut wurden. 1968/69 ließ der Oberzeuzheimer Franziskanerpater Cyrill Eisermann die alten Bildstöcke abreißen und durch neue aus einheimischem Basalt ersetzen. Der Diezer Künstler Ernst Thrun schuf dafür den Bilderzyklus mit den „Sieben Schmerzen und sieben Freuden Mariens“. 

Die Oberzeuzheimer Kolpingfamilie sorgt seit Jahrzehnten für den Erhalt und die Pflege der gesamten Anlage. Viele Wallfahrer und Wanderer aus der heimischen Region nutzen diesen stillen Ort mitten im Buchenwald, mit der Mariengrotte (1981), mit dem gefassten Quellwasser und den einladenden Ruhebänken gerne zur inneren Einkehr und zu erholsamer Rast. 

 

2 Bausch, a.a.O.,  S.35 
3 Bernhard Pinsker, Keltische Münzen aus ehemals nassauischen Gebieten in der Sammlung Nassauischer Altertümer. In: Bernhard Pinsker, EISENLAND. Zu den Wurzeln der nassauischen Eisenindustrie. Begleitkatalog zur Sonderausstellung der Sammlung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden. Wiesbaden 1995

 

Was haben wir noch an Befunden?

Sechs Jahrzehnte lang hat sich der verdienstvolle Heimatforscher Walter Rudersdorf (+2015) von seiner Heimatgemeinde Ellar ausgehend in besonderer Weise um die Erforschung des vorgeschichtlichen Heidenhäuschens bemüht. Wiederholt hat er Begehungen mit hochrangigen Abordnungen des Landesamtes für Denkmalpflege Wiesbaden organisiert. So im  Oktober 1961 mit dem damaligen Landesarchäologen  Prof. Dr. Schoppa  und am 8. November 1990 mit dessen Nachfolger Dr. Fritz-Rudolf Herrmann  und anderen Fachleuten.
Dabei musste – auch wegen fehlender personeller und finanzieller Ausstattung der Fachbehörde – Vieles im Dunkeln bleiben.  

Neue archäologische Fundsituation

Walter Rudersdorfs beharrliche Anstöße inspirierten jedoch immer wieder andere Heimatforscher und mögen auf diese Weise auch dazu beigetragen haben, dass inzwischen als Ergebnis der jüngsten Nachforschungen der ehemaligen Bezirksarchäologin Dr. Sabine Schade-Lindig und des Ehrenamtlichen Helfers des Landesamtes für Denkmalpflege Helmut Keul aus Waldbrunn-Lahr eine recht umfangreiche archäologische Fundsituation vorliegt. Daraus kann nun gesichert geschlossen werden, dass sich auf dem Plateau des Heidenhäuschens eine viereckige keltische Wallanlage (70x80m) aus der späten Hallstattzeit befand.
Im Westen, nach Hangenmeilingen zu, wurde diese Anlage durch ein steilhängiges, mächtiges Basaltblockmeer gesichert, nach Osten durch eine steile, „steinige Rippe“ und die zwei anderen Seiten durch einen Wall aus verstürzten Steinen . In dieser mit zwei Toren versehenen  Ringwallanlage, die heute noch in den Flurkarten als „Burg“ bezeichnet wird, lebten frühkeltische Siedler, was sich aus den aussagekräftigen Oberflächenfunden ableiten lässt. Denn neben einer Vielzahl von  Keramikscherben hat  Helmut Keul auch kleine verbrannte Lehmstücke (Hüttenlehm) gefunden, die vermuten lassen, dass die Anlage zumindest  zeitweise besiedelt war und die Häuser unmittelbar an die Verteidigungsmauer im Norden angebaut waren. Zwei Info-Pulte aus dem Jahre 2012 erläutern diese neuen Erkenntnisse und veranschaulichen sie mit grafischen Rekonstruktionen.
„Die Höhensiedlung war nicht zwingend dauerhaft besiedelt und wurde eher in unruhigen Zeiten aufgesucht. Im weiteren Umfeld bestanden einige unbefestigte Siedlungen bzw. Höfe, die bäuerlich bewirtschaftet waren
Die Höhenlage des Heidenhäuschens war wohl wie die  benachbarten Berge auch unbewaldet. Wegen des dadurch möglichen Rundblicks über das Limburger Becken, das Elbbachtal bis zu den Höhen des Westerwaldes dürfte die Wallanlage auch die Funktion eines „Ausgucks“ in die keltisch besiedelte Umgebung gehabt haben,“ führte Frau Dr. Schade-Lindig am 8. November 2011 bei der öffentlichen Vorstellung des Keltenbrunnens aus. Bei dieser Gelegenheit gab sie auch erstmalige Hinweise auf den sogenannten Prospektweg, der um die Ringwallanlage führt und den Vorwall kurz vor Erreichen des Hochplateaus und der eigentlichen Mauer aus „verstürzten Steinen“. 

 

Keltenborn

Aus der sich mehr und mehr abzeichnenden Siedlungsgeschichte des Heidenhäuschengebietes ergibt sich auch die Funktion des alten trockengemauerten Brunnens an der Südwestflanke des Heidenhäuschens. Dieser wurde erstmals im Jahre 1949 entdeckt, als der damalige Steinbacher Bürgermeister Johann Häuser (1945-1963) nach Wasser suchen ließ. Einer versumpften geraden Rinne folgend stieß man hangaufwärts auf die gesetzte Quellfassung, die dabei  teilweise zerstört wurde. In unmittelbarer Nähe wurde beim weiteren Graben nach Wasser im Steinbacher Gemeindewald ein kleiner, runder Drehmühlstein aus Basaltlava geborgen, den der Landesarchäologe Dr. Schoppa im Nassauer Boten vom 10. Oktober 1960 in die Spätlatène-Zeit datierte. Der Mühlstein wurde damals der Gemeinde Steinbach für 30 Mark vom Landesmuseum in Wiesbaden abgekauft.
Die zeitliche Einordnung des alten Brunnens jedoch gestaltete sich weitaus langwieriger und soll hier knapp zusammengefasst werden.
Im Oktober 1961 hatte der Ellarer/FrankfurterHeimatforscher Walter Rudersdorf einen Ortstermin organisiert, bei dem der damalige Landes -Archäologe  Prof. Dr. Schoppa den Brunnen in die Spätlatenezeit gesetzt hatte, also ins 1. Jahrhundert vor Christus.  Bei der Begehung hatte er aber auch gleichzeitig eine Zugehörigkeit zu einer mittelalterlichen Siedlung für möglich gehalten. Die Befunde ließen kein eindeutiges Urteil zu.
Am 8. November 1990 machte der unermüdliche Heimatforscher Walter Rudersdorf einen erneuten Versuch. Diese Begehung mit vielen Interessierten, so auch dem Autor, brachte auch keine Klarheit. Vor der Steinsetzung stehend kommentierte der amtierende Landesarchäologen Dr. Fritz-Rudolf Herrmann lapidar: „Vielleicht mittelalterlich“. Über den Zusatz, dass der aufrecht stehende Stein vielleicht den Wasserholern zum Absetzen der Krüge gedient habe, konnte sich Walter Rudersdorf zu Recht nur amüsieren. 4

4 Siehe zu der Datierungsgeschichte durch die Landesarchäologen Schoppa und Herrmann: Walter Rudersdorf, Spurensuche rund um das Heidenhäuschen. Folge 35-37. In: Waldbrunner Nachrichten vom 16.11.2002ff.

 

Orkan Kyrill und die Folgen

Also, man kam in der Sache nicht weiter. Bis…
Ja, bis dann in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 2007 der Orkan Kyrill mit über 200 km/h über Europa jagte  und dabei auch eine unmittelbar an der Quellfassung stehende mächtige Douglasie umwarf, die mit ihrem großen Wurzelteller den Brunnen nunmehr ganz verdeckte. Diesen Zustand meldete Anfang 2008 der Ehrenamtliche Helfer Helmut Keul aus Lahr dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Wiesbaden. Seiner Beharrlichkeit und Geduld ist es zu verdanken, dass dann endlich im Herbst 2010 unter Leitung der zuständigen Bezirksarchäologin Frau Dr. Schade-Lindig eine Notgrabung vorgenommen wurde.
Mit  großzügiger Hilfe des zuständigen Revierförsters Herrn Gerhard Menger konnte der sensible Bereich für Nachforschungen mit schwerem Gerät freigeräumt “und die kläglichen Reste der Quellfassung nun erstmals  professionell freigelegt und dokumentiert werden“, so Dr. Schade-Lindig in Hessen- Archäologie 2011. 5
Nach Vorarbeiten des Grabungstechnikers Michael Obst baute dann ein Team mit  dem Ehrenamtlichen Helfer Helmut Keul, Gustav Sommers und  Oberstudienrat Alfred Sehr  nach Anleitung der Bezirksarchäologin im Jahre 2011 die alte Quellfassung teilweise wieder neu auf. 


Hierbei fanden sich eine Reihe von Keramikscherben, die ausnahmslos der frühkeltischen Hallstattzeit zugewiesen werden können. Damit ist es wahrscheinlich, dass die gemauerte Quellfassung und auch der darüber aufgestellte Menhir in Beziehung zur benachbart gelegenen Ringwallanlage, dem Heidenhäuschen, gestanden haben. Vermutlich befand sich oberhalb dieser Wasserstelle auf dem plateauartigen Gelände eine Siedlungsstelle“, folgert die Wissenschaftlerin am 8.11.2011 gegenüber den anwesenden Gästen bei der öffentlichen Vorstellung des Brunnens.

Da in Europa Menhire ganz überwiegend in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit errichtet  wurden, kann man nach Ansicht des Verfassers bei dem vorliegenden auch auf eine Entstehungszeit  vor den Kelten  schließen. Die Funktion des 1,20 m hohen aufrechtstehenden Menhirs ist nicht eindeutig geklärt. Er ist unbearbeitet und kann nicht für sich sprechen. Fr. Dr. Schade Lindig meinte nüchtern, es handele sich vielleicht um eine Orientierung für die Wasserträger. Andere Deutungen gehen von der keltischen Mythologie aus, der zufolge immer weibliche und männliche Gottheiten gemeinsam verehrt werden mussten. Also würde die runde Erdöffnung für den fruchtbaren Schoß einer weiblichen Gottheit stehen und der aufrechte Menhir für eine männliche Gottheit. 
Der Vorgeschichtler A. Jockenhövel stellt dazu fest: 
„Megalithe sind bewusste sichtbare Denkmale vorgeschichtlichen  Glaubens und Handelns, deren mysteriöse Sprachlosigkeit uns heute noch anregt“.
Übrigens der vom Keltenborn wegführende Waldwirtschaftsweg nach Steinbach zu endet dort in der früher sogenannten Borngasse, heute Bornstraße.

Haltbar jedoch ist die Aussage, dass dieser  2500 Jahre alte „Keltenbrunnen“  weit und breit der einzige ist, der bis zum heutigen Tage Wasser fördert. Erstaunlicherweise hat der Brunnen sogar während der langen Trockenperiode im Sommer 2011 und in der strengen  Kälteperiode mit tiefen Minusgraden im Januar/Februar 2012 den Überlaufgraben konstant mit fließendem Wasser versorgt! Kluge Menschen, diese Kelten mit ihrer ganzjährigen konstanten Wasserversorgung!

Vgl. den ausführlichen Grabungsbericht von Dr. Schade-Lindig und Michael Obst in: HessenArchäologie. Jahrbuch 2010, S. 57-60. Theiss-Verlag

 

Zur Herkunft des Namens Heidenhäuschen

Woher kommt dieser Name und was steckt eigentlich dahinter? 
Die Namensgebung „Heidenhäuschen“ ist relativ jung. Als das Herzogtum Nassau 1866 preußisch geworden war, zogen preußische Vermessungsbeamte durch die Dörfer und erfragten den Namen von den Einwohnern. Diese sprachen den Berg in ihrem  alten Westerwälder Dialekt, als „Haarehäusje“ an. Aus der mundartlichen Bezeichnung machten die Beamten den moderner klingenden Begriff „Heidenhäuschen“.
Der Niederhadamarer Heimatforscher Peter-Paul Schweitzer ging aber verdientermaßen der alten Bezeichnung nach und wurde  im Gesetzesbuch Lex Ribuaria für das rhein-fränkische Stammesgebiet aus dem Jahre 643 fündig. In dieser Gesetzessammlung wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass geforderte Eide „in haraho“ zu leisten seien, was soviel bedeutet wie „an der Schwurstätte“. Schweitzer ging auch dieser ursprünglichen Wortbedeutung nach und fand die begriffliche Ableitung aus „harugaz“, was so viel bedeutet wie Steine.
Harahus“, der ursprüngliche Name bedeutet also Steinhaufen, auf den vor Gerichtssitzungen die Eidesformel laut und durch Handauflegen  geschwört werden musste.
Es handelt sich also um den Opferstein, auf dem vor jeder Gerichtssitzung den Gottheiten geopfert wurde, um dem Richterspruch und den Zeugenaussagen mehr heiligen Ernst und Gewicht zu verleihen. Einen solchen Opferstein, in der Fachsprache Lagenstein genannt, suchen wir übrigens noch im Gebiet des Heidenhäuschens. 

Das Heidenhäuschen mit seiner noch gut wahrnehmbaren Wallanlage war also ganz knapp zusammengefasst, ein „Ausguck“ (Schade-Lindig) in das weitgestreckte Elbbachtal, ein Statussymbol privilegierter Familien,  ein Zufluchtsort in unsicheren Zeiten sowie eine vorchristliche Schwur- und Gerichtsstätte mit sakralem Charakter. 
In dieser Gerichtstradition sehen Walter Rudersdorf und andere das Landgericht St. Maximinus Ellar, das gegen Ende der Karolingerzeit aus dem alten heidnischen Gericht hervorgegangen sei und im 13. Jahrhundert von den Diezer Grafen als Hochgericht nachweislich nach Ellar verlegt wurde und unter freiem Himmel tagte. Ab 1491 ist das Gerichtssiegel „St. Maximinus dort für das „Peinliche Gericht“ mit „Halsgerichtsbarkeit“  nachgewiesen. Aus den alten Scharfrichtern (aus dem 1138 erstmals erwähnten Waldmannshäuser Adelsgeschlecht) wurden seit 1258 nachweislich die Walpoden, also Dienstleute der Grafschaft Diez.

Zur geologischen Besonderheit

Zu erwähnen ist noch die durch ihre Größe und Masse imponierende Felsformation auf dem 398m hohen Gipfel des Heidenhäuschens am Fuße des Westerwaldes. Dicke, bankartige Basaltblöcke quellen hier quasi aus der Erde heraus und verstürzen und verkeilen sich in gebrochenen Fragmenten zu Tale. Dieses im Westerwald wohl einmalige „Naturschauspiel“  ist nicht vulkanischen Ursprungs. Vielmehr geht nach bisherigem Kenntnisstand seine Entstehung auf die  Verschiebung der afrikanischen und europäischen Kontinentalplatten in der Karbonzeit vor 300 Millionen Jahren zurück. Als dann im Tertiär vor etwa 40 Millionen Jahren dadurch ausgelöst die Alpenfaltung einsetzte und die mächtigen devonischen Kalksteinsedimente in Mitteleuropa zerbrachen und sich auftürmten  (z.B. auch das Rheinische Schiefergebirge), trat nun Basaltlava aus Erdspalten heraus. „Die Lavamassen ergossen sich aber nicht nur auf die Erdoberfläche, sondern auch schichtweise direkt zwischen darunter liegende Gesteinsschichten“, schreibt Hermann-Josef Bausch in seiner Oberzeuzheimer Chronik. 
In  diesen untergeflossenen Lagern entstanden in der Tiefe und daher infolge langsamer Abkühlung die unregelmäßigen blockigen Basaltkörper. Die deckenden Schichten sind im Lauf der Jahrmillionen  und durch ungeheure tektonische Kräfte der Nord-Süd-Verwerfungen millimeterweise nach oben gehoben und später besonders in den Eiszeiten durch die exogenen Kräfte freigelegt worden. Die steinernen Ergebnisse dieses gewaltigen Prozesses der Erdgeschichte, einschließlich der „Schinderhanneshöhle“ und seiner Überdachung durch einen großen, aus dem Felsenmeer heraustretenden Basaltquader  können heute mutige und trittfeste Wanderer auf eigenes Risiko „hautnah“ erleben und besteigen.

Das Gebiet des Heidenhäuschens wurde im Jahr 1927 mit einer Fläche von 114 ha als Naturschutzgebiet ausgewiesen und 2012 um 30 ha erweitert, nahezu deckungsgleich mit dem gleichnamigen FFH-Gebiet. 
Zu erwähnen sei noch der Hinweis auf die Trigonometrischen Punkte neben dem Treppenplateau auf der Spitze des Gipfels. Von hier aus besteht- bei Beseitigung des Baumbestandes- eine Blickverbindung zum Turm der Schaumburg bei Balduinstein. Dort befand sich der O-Meridian des ehemaligen Herzogtums Nassau. (Der neue Markierungstein ist der präzise.)
Das hölzerne Gipfelkreuz ist jüngeren Datums und nach Meinung vieler Zeitgenossen an diesem vorchristlich geprägten Standort kulturgeschichtlich unangebracht!

Das Heidenhäuschen ist in der heimischen Region ein besonderer Ort mit einer durchaus meditativen Atmosphäre, in der man abgeschieden von der Hektik des Alltags gerne verweilen möchte und sich besinnen kann - mit seinem erbaulichen Hochwald, seinem gewaltigen Basaltblockmeer und den angesprochenen kultur-historischen Bodendenkmälern. Erhebend ist besonders aber auch der weite Blick über die Höhen der Westerwaldlandschaft und über das 200 m tiefer gelegene, weitgestreckte  Elbbachtal mit seinen Dörfern- sofern der Waldbestand das zulässt!

 Alfred Sehr, Ellar